ls wir Schlag 16 Uhr – die Glocke des nahen Kirchturms wird gerade ge- läutet – über die Schwelle in die behaglichen Gasträume treten, empfängt
uns ein aromatischer Duft, den in unseren Breiten wohl jeder sofort zuordnen kann: Schweinsbraten ist es und der ist hier, wie die Küche selbst, eine Angele- genheit der Chefin.
Lernen vom Haubenkoch
Wir befinden uns auf 596 Metern Seehöhe am alten Dorfplatz im obersteirischen Sankt Michael. Der Gasthof existiert seit über 500 Jahren. „Ich bin die vierte Ge- neration hier. Mein Urgroßvater Johann Eberhard hat das Haus 1885 gekauft“, erzählt Ilse, die den ehrwürdigen Gasthof 2005 übernommen und auch die 14 Gästezimmer renoviert hat. Da hatte sie schon ihre Lehr- und Wanderjahre als Köchin lange hinter sich. „Ich hab kochen gelernt, weil ich so irrsinnig gern ess“, lacht sie – aber das ist untertrieben. Die kunst- und kulturbegeisterte Wirtin – Literatur und Film sind ihre Leidenschaften – hat einige Jahre in Italien und Frankreich zugebracht, wo sie sich in den jeweiligen Küchen einiges abgeschaut hat. In Österreich schließlich lernte sie von Willi Haider, einem der ersten Hau- benköche der Steiermark. Ilse kocht vielseitig und bodenständig. Zum Beispiel Schweinsbraten.
Der langsame Schweinsbraten
„Mein Gasthof ist Slow-Food-zertifiziert.“ (Anm.: Slow Food ist eine 1986 ge- gründete Organisation für regionales, bewusstes Essen.) „Den Schweinsbraten koch ich erst ein paar Minuten auf der Schwartenseite in wenig Wasser. Anschlie- ßend wird er sechs Stunden bei niedriger Temperatur im Ofen gegart, bevor die Kruste angegrillt wird.“ Nach Großmutters Art kocht sie hier – nur etwas leichter und mit modernen Einflüssen. Es gibt Wiener Schnitzel, Blutwurst, Mais- hendlbrust – je nach Saison auch Wild. Donnerstags ein Bio-Henderl, am Samstag Bauernente. Suppen, Salate und stets ein vegetarisches Gericht auf der Karte. So wichtig wie die behutsame Zubereitung ist Ilse die Herkunft ihrer Produkte.
GenussReich: Nachhaltige Kulinarik-Initiative
„Ich versuche, alles im Umkreis von 50 Kilometern zu bekommen“, sagt Ilse, die vor mehr als zehn Jahren die Initiative „GenussReich“ mit gegründet hat. Der Verbund aus 75 Wirten, Bauern, Händlern und Winzern vermarktet die Produkte der Region. Klar, dass auch die Slow-Food-Wirtin fast alle Produkte – das meiste bio-zertifiziert – über den Verein bezieht. Fleisch kommt von den umliegenden Bauern, Fisch steuert der „Fischmeister“ aus Kalwang bei, das Gemüse bezieht sie aus Oberaich. Jetzt, es ist Abend geworden, tischt Ilse ihren Schweinsbraten auf. Die Kruste, knusprig wie sie sein soll, das Fleisch zergeht auf der Zunge, der Semmelknödel mit dem Natursaft ist eine köstliche Verbindung. Dazu gibts war- men Krautsalat mit Kümmel. Ein Gedicht.
Gasthof Eberhard, Raiffeisenstraße 24, 8770 St. Michael, Stmk.
Tel.: +43 3843 2222, www.gasthof-eberhard.at
GELEBTE
REGIONALITÄT
Ilse Blachfellner-Mohri versucht, alle ihre kulinarischen Zutaten aus einem Umkreis von 50 km
zu beziehen.
Fotos: Freilichtmomente/Sabrina Stummer, Sebastian Freiler
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www.lavazza.at