Einst gab es hier zahlreiche Blaudrucker, heute existiert nur mehr ein einzigerBetrieb. Zu Besuch beim letzten Blaudrucker im Burgenland.
Text: Marko Locatin Fotos: Sebastian Freiler
B
ei den Koós dreht sich alles um die Farbe Blau. Hier, in der kleinenMarktgemeinde Steinberg-Dörfl, befindet sich eine der letzten Blau-
druckereien Europas. In Österreich existieren gerade einmal noch zweidieser traditionellen, einst so verbreiteten Betriebe – der andere liegt inOberösterreich. Als wir am Tor läuten, empfängt uns sogleich einefreundliche Dame mit blauer Strähne im weißen Haar. Sie ist die Muttervon Joseph Koó, der mit Frau Miriam hier seit Jahren „Blau macht.“ DerFamilienbetrieb ist in mehrere kleine Gebäude – in Druckerei, Färbereisowie Schauraum und Werkstatt – unterteilt. Es ist ein klirrend kalter Tag,im kuscheligen Schauraum erzählt uns Joseph bei Kaffee und KuchenNäheres über sein geliebtes Handwerk.
Ideale Arbeitskleidung
Die traditionellen Blaudrucker waren früher sehr gefragt, denn sieproduzierten die klassische burgenländische Arbeitskleidung, den Schurz(Schürze) und das Firta (Halbschürze ohne Latz). Die Schürzen der Frauenwurden beidseitig bedruckt, um im Haus und auf dem Feld gleichermaßengeschützt arbeiten zu können. „Die ideale Arbeitskleidung, denn die Farbis ja schmutzresistent. Auf dem Blau siecht ma net glei jedn Fleck“, sagtJoseph. Den Betrieb hat sein Großvater ab 1921 aufgebaut, die Eltern habenübernommen, „und jetzt san wir do. I bin ja als Kind mit der Oarbeit auf-gwachsen“, lacht der Blaukünstler verschmitzt. Dass der Familienbetriebhier aber wieder so floriert, ist glücklichen Fügungen, Josephs undMiriams Ideenreichtum sowie ihrer Beharrlichkeit zu verdanken.
Neue Wertschätzung des Handwerks
Mit dem Aufschwung der industriellen Textilindustrie ging die Krisevieler Handwerksbetriebe einher. Schuster und Schneider, Weber undNähereien mussten zusperren. „Vor 30 Jahren hab i net glaubt, dass i dasda übernimm. Handwerk hat ja kan Wert net ghabt, aber jetzt hat sich deswieder gedreht.“ Joseph, der Maschinenbau und nebenbei an der WienerKunstschule Malerei studiert hat, richtete ein Grafikbüro in Wien ein, woer in erster Linie Bücher gestaltete und Buch-Covers entwarf. Durch dieLiebe zur Kunst hat der heute 60-Jährige auch seine Frau Miriam kennengelernt. Mit Miriam, ebenfalls bildende Künstlerin mit Ausbildung an derLinzer Kunsthochschule, ist er schließlich 2009 zurück ins Burgenlandgezogen, um den Familienbetrieb zu übernehmen. Josephs Mutter stelltnoch Taschen und Pölster her, Miriam druckt und fertigt unter anderemPrototypen von Hemden und Dirndln, und der 10-Jährige Sohn kann„wenn er des mog, später hier weitermachn“.
Der echte Indigo-Blaudruck
In China, Indien und Ägypten lässt sich das Blaufärben mit Indigo (vongriech. Indikón, das Indische) bis ins Altertum zurückverfolgen. InIndien wird auch der Ursprung des Blaudrucks vermutet. Von hier aushat er sich über den Orient bis nach Afrika ausgebreitet und
kam im 17. Jahrhundert nach Mitteleuropa. Der Blaudruck ist ein indi-rektes Druckverfahren, ein sogenannter Reservedruck. Auf die weißenStoffe, Leinen oder Baumwolle, wird mit alten Holzmodeln, die ein Mustereingraviert haben, eine klebrige Paste, der sogenannte Papp, aufgetragen.Auf den Stellen, wo der Papp aufgetragen wird, kann später keine Farbeeindringen. Nun muss der mit dem Papp bedruckte Stoff erst mal 8–12Wochen durchtrocknen, weil sich die klebrige Masse sonst beimfolgenden Färbevorgang herauslösen würde.
Nach dieser ersten Trockenphase gehts ans Färben: Der Stoff wird aufge-spannt und aufgehängt, um bis zu zehn Mal für rund zehn Minuten in einaus Wasser und Indigo bestehendes kaltes Farbbad abzutauchen. Das nuntiefblaue Material mit den Aussparungen, an denen der Papp noch klebt,wird mit heißem Wasser ausgewaschen – der Papp löst sich und das weiß-blaue Muster kommt zum Vorschein. Anschließend wird der Stoff einzweites Mal im Garten zum Trocknen ausgehängt. Aus diesen zweiTrockenphasen (in denen der Blaudrucker früher nichts zu tun hatte) leitetesich auch unser umgangssprachliches „Blaumachen“ ab. Unsere Blaudruckerhingegen sind derweil mit Entwürfen, Kooperationen oder Beschaffungder Rohstoffe beschäftigt – was dieser Tage gar nicht so einfach ist.
Mühlviertler Leinen
Indigo, den natürlichen Pflanzenfarbstoff, der als Pulver oder in Blöckengeliefert wird, beziehen die Koós aus Süd-Indien. Lange Zeit wurde dasintensive Blau auch in Mitteleuropa, u. a. in Thüringen, aus der PflanzeFärberwaid gewonnen. Nachdem diese Tradition fast ausgestorben war,erwacht sie heute zu neuem Leben. Dabei werden die Blätter der Pflanzezu Kugeln gerollt, die bei der Trocknung ihre Farbe verändern und blauwerden. Aus den zerriebenen Kugeln wird schließlich das intensive Blauzum Färben gewonnen. Miriam und Joseph Koó bedrucken hauptsächlichLeinen aus dem Mühlviertel und Baumwolle, die aus der Schweiz stammt,denn die gewünschte Stoffbreite für die alte Druckmaschine ist inÖsterreich nicht mehr zu bekommen.
UNESCO Kulturerbe
Joseph und Miriam Koó jedenfalls sind für die Zukunft gut gerüstet, siesprühen nur so vor Ideen. „Uns is wichtig, des Handwerk zu erhalten,aber auch Neues zu entwickeln.“ So arbeitet der bildende Künstler mitSchuhmachern und Modeschulen zusammen, Designerinnen wie LenaHoschek und Susanne Bisovsky haben eigene Blaudruck-Dirndln entworfen.Auch mit der Wiener Hutmanufaktur Mühlbauer gibt es eine Kooperation.Dass die über viele Jahrzehnte beinahe in Vergessenheit geratene Hand-werkstechnik des Blaudruckens 2018 in die UNESCO-Liste des Immateri-ellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde, freut Joseph be-sonders. „Wichtig ist, dass alles lebendig bleibt“, meint der Blaukünstlerabschließend. Ein Spruch, der sich auch gut auf Polstern oder Schürzenmachen würde – natürlich als Blaudruck.
Schurz und Firta (Halbschürze) sind die klassische burgenländischeArbeitsbekleidung. Früher waren die Schürzen der Frauen beidseitigbedruckt – für die Arbeit am Feld und im Haus.
„Die traditionelle
burgenländischeArbeitskleidung
war blau.“
Miriams Arbeitsplatz mit den alten Holzmodeln, mit denendas Muster auf den Stoff gestempelt wird.
Miriam mischt den Papp und „druckt“ ihn mit Holzmodeln auf den Stoff.Das genaue Rezept der klebrigen Masse ist übrigens streng geheim.
„Der Blaudruckstammt vermutlichaus Indien.“
Joseph spannt die Stoffe auf und tauchtsie mehrmals in die Küpe – ein bis zu 20Jahre altes Farbbad.
Traditionelles Handwerk mit kreativen Ideen: Miriam und Joseph Koóhaben der alten Färberei neues Leben eingehaucht.
HANDWERK LOHNT SICH
„Wer einmal Blaudruck-Produkte verwendet hat,weiß: sie sind nicht nurwunderschön, sondern