Abfischen
im Waldviertel
Matthias Haberzeth zieht in Waldviertler Naturteichen Karpfen und Zander. Gemeinsam mit Kaufmann Gerald Ebner begleiten wir ihn beim Abfischen in Jaidhof.
Text: Marcus Fischer Fotos: Sebastian Freiler
Frühjahr, Sommer und Herbst haben die Karpfen und Zander von
Matthias Haberzeth in dem großen Naturteich in Jaidhof im
Waldviertel verbracht. Anfang November wird abgefischt.
er Himmel ist strahlend blau, die Luft mild, ein traumhafter Herbsttag erwartet uns – haben wir geglaubt. Doch als wir an diesem 2. November
die Donau bei Krems überqueren, ändert sich das Wetter schlagartig. Der Himmel hängt tief, Nebel zieht auf, die Temperatur fällt auf vier Grad über null. Will- kommen im Waldviertel.
Bärige Männer in Wathosen
Über einen Schotterweg erreichen wir den Parkteich von Schloss Jaidhof rund 30 km westlich von Zwettl. Als wir ankommen, sind die Vorbereitungen zum Abfischen in vollem Gang. Rund 15 bärige Männer in Wathosen (Anglerstiefel und Hosen in einem) aus dickem Neopren warten am Wall über dem Teich. Matthias Haberzeth, der Betreiber der Teichwirtschaft, steht unten neben dem Steg beim „Mönch“, wie man das Ablassventil für den Teich nennt.
Sommerfrische im Teich
Die Stimmung ist gut, manche der Männer wärmen sich am Kaffee, andere am kleinen Lagerfeuer, das am Wall brennt. Das Wasser ist grau wie der Himmel, immer wieder bilden sich Wirbel auf der Oberfläche, ab und zu springen Fische in die Höhe und verschwinden wieder in dem kalten Grau. Viele Hundert Karpfen und Zander müssen sich im Teich aufhalten. „Im Frühjahr“, erzählt Matthias, „haben wir rund eine Tonne Fische ausgesetzt. Über die Sommermonate wachsen die Fische kräftig und verdreifachen ihr Gewicht in dem großen Naturteich. Je nachdem, wie viel der Fischotter geholt hat, rechne ich heute mit drei Tonnen.“
Der Teich wird abgelassen
Allmählich wurlt es unten im Teich, der Wasserstand hat den gewünschten Pegel erreicht. „Los gehts!“, ruft Matthias und sofort geht jeder der Männer auf Position. Einige steigen mit Keschern und orange leuchtenden Körben ins eisige Wasser, andere bilden vom Steg aus eine Kette, um die Körbe von unten zu den großen Wasserbehältern am Wall zu befördern. Eine dritte Gruppe steigt in der Mitte des Teiches ins Wasser, ausgerüstet mit Netzen und langen Stangen, die sie im schlammigen Grund fixieren, um die Fische daran zu hindern, in den hinteren Teil des Teichs zurückzu- schwimmen. Langsam treiben die Männer anschließend die Fische von der Mitte des Teichs in Richtung Steg, wo Matthias und die anderen Männer sie mit Keschern aus dem Wasser holen und gleich in die Körbe füllen. Mit Schwung und dem Ruf „Karpfen“ oder „Zander“ werden die Körbe in der Kette weitergereicht, damit sie rasch nach oben kommen und dort in die Frischwasserbehälter geleert werden können. Umgekehrt wandern die leeren Behälter mit dem Ruf „Korb“ wieder zurück. Wie am Fließband klappt die Zusammenarbeit, die flotte Bewegung täuscht über das Gewicht hinweg, das hier transportiert wird. Bis zu 25 Kilo wiegt ein Korb, insgesamt werden die Männer rund drei Tonnen Fische an diesem Vormittag aus dem Teich holen.
Gelächter in der Kette
„Wir versuchen das natürlich möglichst rasch und stressfrei für die Fische zu machen – obwohl der Karpfen eh zu den robustesten Süßwasserfischen zählt. Bis zu einer halben Stunde hält ers an Land aus, aber darauf wollen wirs natürlich nicht ankommen lassen“, erläutert Matthias wenig später. „Vorsicht schwer!“, schallt ein Ruf vom Steg herauf, als ein sehr voller Korb Karpfen weitergereicht wird. „Dann tuats halt weniger eine!“, kommt prompt die Antwort von oben. Die ganze Kette lacht, die Fänger im Wasser nehmen sichs zu Herzen und schicken ab sofort schon die zu ¾ vollen Körbe auf die Reise.
Naturnahe Haltung ohne Chemie
Was das Besondere des Waldviertler Karpfens ausmacht, wollen wir von Matthias wissen. „Das kalte Wasser und die Haltung“, sagt er, „zumindest bei unseren Fischen. Die sind das halbe Jahr im Naturteich und ernähren sich nur von Futterfischen wie Rotschwanz und Rotflosse. Außer Weizen füttert der Matthias nichts zu – kein Soja, keine Futtermittel, keine Antibio- tika wie in den industriellen Fischfarmen. „Ein Freund ist oft in Norwegen angeln“, fährt Matthias fort, „und hat dort den Wahnsinn der industriellen Fischzucht gesehen. In der Massenhaltung vermehrt sich ein Parasit im- mens – die Meerlaus. Wenn junge Wildlachse in der Nähe der Farmen vorbeischwimmen, verenden viele, weil die kleinen Fische den Befall durch die Meerläuse nicht überleben. Da ist unser Parkteich ein Paradies dagegen.“
Kein „Grundlgeschmack“ mehr
„Ein Großteil der Fische“, erklärt Matthias, „wird in andere Seen im Waldviertel gebracht, wo sie von Angelvereinen ausgesetzt werden. Der andere Teil kommt in Frischwasserbecken. Sobald wir den Teich ablassen, wird viel Schlamm aufgewirbelt. Wenn man die Fische jetzt schlachten würde, hätten sie den typischen modrigen Geschmack. Drum kommen sie erst einmal mehrere Wochen ins Frischwasser, bevor wir sie vor Weih- nachten verkaufen.“
Der Fischotter war brav
In der Zwischenzeit ist das Wasser des Teichs fast vollständig abgelaufen. Die Männer sammeln die letzten Fische ein, während diese oben gewogen und anschließend in die Frischwasser-Transportbehälter gebracht werden. Die meisten von Matthias’ Helfern sind über und über mit grauen Spritzern bedeckt. „Für so eine Schlammpackung zahlen andere einen Haufen Geld“, lacht er. „Und, wie war der Fischotter dieses Jahr?“, wird Matthias gefragt. „Brav“, sagt er. Die Fische haben über den Sommer gut an Gewicht gewon- nen, etwas über drei Tonnen konnten aus dem Teich „geerntet“ werden.
Vom Hobby zum Beruf
Schon als Jugendlicher war Mattthias Haberzeth ein leidenschaftlicher Angler. Dass sich daraus ein Beruf entwickelt, hätte er sich nie träumen lassen. „Ich hab Zimmerer gelernt und daneben immer Fischteiche gehabt. Die sind mit der Zeit immer mehr geworden. Und vor fünf Jahren hab ich mein Hobby zum Beruf gemacht.“ Heute bietet er in seinem Geschäft in Sittendorf neben Karpfen und Zander auch frische und geräucherte Saib- linge und Forellen sowie Lachsforellen, Aufstriche vom Räucherfisch und andere Spezialitäten an. Zu seinen Kunden zählt auch Kaufmann Gerald Ebner aus Rohrendorf, der sich wenig später zu uns gesellt.
Geschmack mit gutem Gewissen
Dass der Waldviertler Karpfen in den letzten Jahren immer beliebter ge- worden ist, freut beide. „Früher hat man ja gesagt, der Karpfen ist ein
Armeleutefisch“, schildert der Kaufmann, „und geglaubt, wenn man Lachs isst, ist man was Besseres. Das hat sich zum Glück geändert. Es ist ja ein Wahnsinn, Lachs einzufliegen, wenn man so feine Fische vor der Tür hat – aus naturnaher Haltung!“ „Den guten Geschmack kannst bei mir kaufen – vom Karpfen bis zur Lachsforelle. Und das gute Gewissen gibts gratis dazu!“, lacht Matthias.
www.soschmecktnoe.at/teichwirtschaft-haberzeth
Während Matthias (l.) Karpfen und Zander mit dem Kescher aus dem Wasser holt, werden die Fische in Körben rasch zu den Frischwasserbehältern gebracht.
„Über den Sommer wachsen die Fische kräftig und verdreifachen ihr Gewicht in dem großen Naturteich.“
Anpacken am „Mönch“: Wie am Schnürchen funktioniert die Kette, mit der die vollen Körbe zu den Frischwasser-Transportbecken oberhalb des Natur- teichs weitergereicht werden.
„Für so eine Schlammpackung zahlen andere einen Haufen Geld“, lacht Matthias Haberzeth.
Nach dem Fang werden die Fische gewogen und sortiert. Die Waldviertler Karpfen von Matthias Haberzeth verbringen anschließend sechs Wochen in Frischwasserbe- cken, damit sie den „Grundlgeschmack“ loswerden, der durch den aufgewühlten Schlamm entsteht.
KARPFEN & KLIMA
Karpfen aus der Nähe kann man mit gutem ökologischen Gewissen genießen. Die Wald- viertler Karpfenteiche sind zudem ein Habitat für Vögel und Kleintiere und tragen so zur Artenvielfalt bei.
Die Fischspezialitäten von Matthias Haberzeth
gibts unter anderem bei Kaufmann Gerald Ebner, Obere Hauptstraße 2, 3495 Rohrendorf, NÖ.
Illustration: 123rf; Foto Kaufmann: Nini Tschavoll
Der Karpfen (Cyprinus carpio) ist einer der beliebtesten heimischen Speisefische. Er lebt in flachen Gewässern, wo er 30–40 cm Körper- länge, in Einzelfällen auch bis zu
120 cm erreicht.
Seine Verbreitung verdankt er auch den mittelalterlichen Klöstern, wo er aufgrund der Fastenvorschriften in großem Stil gezüchtet wurde.
Der Zander (Sander lucioperca), auch Hechtbarsch, Fogasch oder Fogosch genannt (abgeleitet vom ungarischen Wort für „Zahn“), gehört zur Familie der Barsche. Der Raubfisch ernährt sich von kleineren Fischen wie Rotaugen, wird 40–50 cm lang und kann in seltenen Fällen auch 1,30 m erreichen.
Wegen seines festen, weißen Fleisches gilt er als besonders hochwertiger Speisefisch.
Zur Vollansicht bitte antippen.
www.manner.com