Mei Weg

Ein Dorf hilft

sich selbst

2012 schloss der letzte Nahversorger im steirischen Kammern.

Als kein Nachfolger zu finden war, wurde Bürgermeister

Karl Dobnigg selbst aktiv.

Text: Marcus Fischer Foto: Sebastian Freiler

D

as war schon hart, wie’s im Dezember 2012 vorbei war. Es krempelt ja den Alltag einer Gemeinde komplett um, wenn man im Ort

nicht mehr einkaufen kann“, erzählt Bürgermeister Karl Dobnigg. Als kein Nachfolger gefunden wurde, lud er die Bevölkerung der Marktge- meinde zu einem Informationsabend. Das Thema: die Gründung eines Vereins, der die Nahversorgung übernehmen sollte. Die Bevölkerung war begeistert – wenig später wurde „Wir für unser Geschäft in Kammern“ mit knapp 300 Mitgliedern gegründet.


Bausteine, Kredit und Bauchweh

Allerdings standen erst einmal hohe Investitionen an: Das Geschäft musste modernisiert, die Ware abgelöst werden. Um ein Grundkapital zu erzielen, wurden Bausteine zu je 100 Euro aufgelegt. Damit konnten 22.500 Euro lukriert werden. Ein guter Anfang, aber nicht genug, um einen erfolgreichen Geschäftsstart zu sichern. „Wir mussten einen Privatkredit aufnehmen, für den ich als Obmann und Geschäftsführer und der Kassier des Vereins gebürgt haben. Das hat uns natürlich ordentlich Bauchweh bereitet – weil keiner gewusst hat, ob das Geschäft funktioniert.“


Neue Services für den Ort

„Wir haben als Erstes die Serviceleistungen ausgebaut: sind Post-Partner geworden, haben eine Trafik, Lotto-Toto-Annahmestelle, einen Reinigungs- service angeboten – alles, was im Ort gebraucht wurde.“ Die Mitarbeite- rinnen wurden vom Vorgänger übernommen. „Mir war wichtig, Arbeits- plätze im Ort zu erhalten und außerdem hatten unsere Mitarbeiterinnen wertvolle Erfahrung.“


Bescheidene Gewinne zu Beginn

Der finanzielle Erfolg war anfangs bescheiden – so blieb im ersten Jahr nur ein Gewinn von 9,81 Euro. In den Folgejahren stiegen die Erlöse deutlich, 2016 konnte man sich schon über 8.500 Euro Gewinn freuen, die dem Verein für Investitionen zur Verfügung standen. „Ich erinner mich genau, wie unsere Kassiererin am Heiligen Abend nach Kassa- schluss zu mir gekommen ist. Karl, hat sie gesagt, dieses Jahr haben wir zum ersten Mal eine Million Euro Umsatz gemacht. Wir haben uns beide angeschaut und so gefreut.“


Die Seele des Ortes

Das Geschäft in Kammern sei allerdings viel mehr als ein Nahversorger, betont Dobnigg. „Viele unserer älteren Menschen gehen einmal am Tag raus – und treffen sich hier in der Kaffee-Ecke zum Plaudern. Das ist enorm wichtig, auch wenns grad aufgrund der Corona-Beschränkungen nicht geht.“ Im Sommer veranstaltet man jährlich Grillpartys mit Musik, wo die Mitglieder des Vereins auf ein Essen und ein Getränk eingeladen werden. „Damit schaffen wir ein soziales Miteinander, das die Menschen sehr schätzen. Dafür muss aber auch jeder seinen Beitrag leisten – und eben nicht den Großeinkauf nur beim Diskonter machen. Das Schöne ist: Immer mehr Menschen in Kammern haben das begriffen und handeln danach.“


Dank an die Mitarbeiterinnen

Es gäbe noch viel zu berichten über das Geschäft – von den lokalen und regionalen Produkten (Säfte, Honig, Milch, Joghurts, Fleisch, Kartoffeln, Kernöl u. v. m.) bis hin zum Brötchenservice. Eines möchte Bürgermeister Karl Dobnigg aber noch zum Ausdruck bringen: seine tiefe Dankbarkeit für den großartigen täglichen Einsatz der Mitarbeiterinnen während der Corona-Krise. „Und das ist nicht nur ein Lippenbekenntnis. Wir werden dieses Engagement vom Verein auch finanziell honorieren.“

„Das Geschäft schafft ein soziales Miteinander, das alle schätzen. Aber dafür muss man auch

im Ort einkaufen.“

Hand aufs Herz

Karl Dobnigg

Als Kind wollte ich … Fahrdienstleiter werden (mein Vater war bei der ÖBB).

Am meisten schätze ich … Ehrlichkeit.

Das Schönste an meinem Beruf ist, … dass ich als Bürgermeister über alle Partei-grenzen hinweg helfen kann, wenn jemand Hilfe braucht. Das macht mir die größte Freude.

Manchmal fällt es mir schwer, … wenn ich jemandem „Nein“ sagen muss.

Wenn mir alles zu viel wird, … geh ich hinauf in unser

Seniorenheim, rede mit den Menschen und komm als anderer Mensch zurück.

Menschen, denen ich sehr dankbar bin, … sind meine Frau und meine Familie – dafür, dass sie es immer mitgetragen haben, dass ich so viel unterwegs bin.

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